zu den Gesamtinhaltsverzeichnissen |
^inh 2018053000 | monograph |
Beim großen "Wagner-Tag" der ARD am 22. Mai 2013 zu seinem zweihundertsten Geburtstag wurde auf den Kulturwellen des Radios den ganzen Tag über Bekanntes und Unbekanntes des großen Meisters gespielt: Meist das Heitere, Positive, denn es ging ja um den GEBURTS-Tag, wie einer der Moderatoren zurecht betonte. Meist kam's aus der Konserve, aber es wurden selbstverständlich auch einige an diesem Tag stattfindende Festkonzerte verschiedenster Veranstalter übertragen.
Darunter war ein großes abendliches Gala-Konzert mit manch festlicher Zug-Nummer.
Aber bemerkenswerterweise auch mit einer konzertanten Aufführung eines ganzen
Opern-Aktes, nämlich dem Ersten Akt Walküre.
Dieser Akt wird nicht selten als einzelner für eine vollständige konzertante Aufführung
ausgewählt. Dies natürlich zum einen, weil er in Form einer einzigen durchgehenden
mitreißenden Steigerung geschrieben ist, und somit rein musikalisch-kompositorisch
selbst in Wagners Werk einzig darsteht.
Aber auch inhaltlich eignet er sich, wegen der anrührenden Situation,
dem positiven Ausgang, der betörenden Liebesduette und dem geringen
personellen Aufwand.
Was dabei immer wieder auffällt ist Wagners raffinierte Dramaturgie, die
den Prozess des Gegenseitigen-sich-Erkennens der liebenden Geschwister sorgfältig und
überzeugend plant.
Dabei ist die Anlage gleichsam "dual" zu Goethes Iphigenie:
Hier wie dort nicht nur eine "Anagnorisis", sondern gleich mehrere Tatsachen
und Identitäten werden erkannt und aufgedeckt.
Dort aber die vier Enthüllungen (Iphigenie über sich an Thoas; Orest an Iphigenie;
Iphigenie an Orest; Iphigenie über Orest an Thoas)
wie die Säulen einer Tempelfassade klassizistisch-symmetrisch
exakt positioniert;
hier die einzelnen Enthüllungsschritte
immer enger werdend der exponentiellen Steigerung der Gesamtdynamik folgend.
Dabei herrscht eine penible Disposition der Informations-Einheiten: Was wer wann zu wem
sagt und wovon wer zu welchem Zeitpunkt weiß oder nicht weiß, das ist exakt
"komponiert" und sogar "realistisch" disponiert.
Da kann man viel falsch machen, und der Dichter macht recht wenig falsch.
Um dies genauer zu untersuchen, listet die folgende Tabelle in der ersten Spalte
den gesamten Gesangstext
(dem Netz entnommen unter
http://wagnerlibretto.wordpress.com/2016/10/24/walkuere-libretto/, in
allerdings nachlässiger Redaktion !-)
und dahinter den Informationsgehalt, der darin an den
Gesprächspartner und den Zuschauer übermittelt wird.
Es zeigen sich tatsächlich nur wenige Fehler,
aber große Subtilitäten in der Disposition, die teilweise bisher selbst uns entgangen waren.
Dies sind die zuletzt festzuhaltenden allgemeinen Erkenntnisse:
Erstens: Neben der rein dramaturgischen "Informations-Funktion" walten selbstverständlich
all die anderen Schichten dichterischer Gestaltung. So hat die "Siegmund-Erzählung"
die klassischen drei Strophen (wie die Wanderer-Fragen im nächsten Teil, die
Nornen-Runden, etc.)
Sie hat ihren ergreifenden Höhepunkt ganz am Schluss, mit dem erstmaligen
Auftreten des Wälsungen-Motivs, und wird zur Gänze rein formal geklammert durch den
(ansonsten unerheblichen) Namen "Friedmund".
Auch die Anzahlen der anderen Namensnennungen folgen oft symoblistischer oder rein
syntaktischer Funktion (fünfmal der Name "Nothung", sechsmal "Siegmund"; zweimal Walhall- und
Wälsungen-Motiv, chiastisch gesetzt wie oben bei Goethe, etc.)
Das "Winterstürme-Lied" steht auch als eigenständige Liebeslyrik da, neben seiner
Funktion der Informations-Evokation.
Auch folgt der Textaufbau durchaus literarisch-symbolischen Erfordernissen:
"[von] Wehwalt der Wölfing [...] vernahm ich dunkle Sage",
ausgesprochen durch Hunding am Ende einer ersten Enthüllungswelle
wird krönend überstrahlt vom "Siegmund den Wälsung siehst du, Weib!" am Ende.
Zweitens: Interessant auch, dass die Frau hier wiedermal sehr viel klüger und sensibler (oder zumindest informierter) ist als ihr Gegenpart: Sieglinde weiß, wie ihr Bruder heißt, und erahnt dessen Identität (an-geblich) schon zu Beginn.
Drittens: Die Protagonisten reden innerhalb der Handlung zunächst zu einander, oder auch zu sich selbst. Aber in ihrer Funktion im Drama auch zum Publikum. Fast jeder Zuschauer weiß selbstverständlich, worauf es hier hinausgeht. Aber selbst bei einem als total-naiv vorgestellten Zuschauer würde die Folge der Informationsbröckchen funktionieren und ihn am Ende auf denselben Kenntnisstand setzen wie die Bühnenpersonen: Alle wissen z.B. nicht, und werden es bis zum Schluss wohl nicht erfahren, dass Wolfe nicht nur Wälse ist, sondern dieser auch Wotan. 1 Das weiß nur die Musik.
SIEGMUND | |
Wess‘ Herd dies auch sei, | Sm weiß nicht wo er sich befindet. |
hier muss ich rasten. | Sm ist völlig erschöpft und hat keine Alternative. |
SIEGLINDE | |
Ein fremder Mann! | Sl kennt Sm nicht. |
Ihn muss ich fragen. | |
Wer kam in’s Haus | |
und liegt dort am Herd? | Erste FRAGE an Sm, unbeantwortet. |
Müde liegt er | |
von Weges Müh’n: | |
Schwanden die Sinne ihm? | |
wäre er siech? – | |
Noch schwillt ihm der Athem; | |
das Auge nur schloss er: – | |
Muthig dünkt mich der Mann, | |
sank er müd‘ auch hin. | |
SIEGMUND | |
Ein Quell! ein Quell! | |
SIEGLINDE | |
Erquickung schaff‘ ich. | |
Labung biet‘ ich | |
dem lechzenden Gaumen: | |
Wasser, wie du gewollt. | |
SIEGMUND | |
Kühlende Labung | |
gab mir der Quell, | |
des Müden Last | |
machte er leicht: | |
erfrischt ist der Muth, | |
das Aug‘ erfreut | |
des Sehens selige Lust: – | |
wer ist’s, der so mir es labt? | Erste (einzige) Frage an Sl |
SIEGLINDE | |
Dies Haus und dies Weib | Frage nach dem "Wer" mit "versklavt" beantwortet. |
sind Hundings Eigen; | Der Name "Hd" wird als einziger genannt.(1) |
gastlich gönn‘ er dir Rast: | |
harre, bis heim er kehrt! | |
SIEGMUND | |
Waffenlos bin ich: | Sm ist unbewaffnet. |
dem wunden Gast | Sm ist verletzt. |
wird dein Gatte nicht wehren. | |
SIEGLINDE | |
Die Wunden weise mir schnell! | |
SIEGMUND | |
Gering sind sie, | |
der Rede nicht werth; | |
noch fügen des Leibes | |
Glieder sich fest. | |
Hätten halb so stark wie mein Arm | |
Schild und Speer mir gehalten, | |
nimmer floh ich dem Feind; – | |
doch zerschellten mir Speer und Schild. | Sm ist unbewaffnet(2). |
Der Feinde Meute | Er hatte mehrere Feinde. |
hetzte mich müd‘, | |
Gewitter-Brunst | |
brach meinen Leib; | |
doch schneller, als ich der Meute, | |
schwand die Müdigkeit mir: | |
sank auf die Lider mir Nacht; | |
die Sonne lacht mir nun neu. | |
SIEGLINDE | |
Des seimigen Metes | |
süssen Trank | |
mög’st du mir nicht verschmähn. | |
SIEGMUND | |
Schmecktest du mir ihn zu? | |
SIEGMUND | |
Einen Unseligen labtest du: | Sm wird von Unheil verfolgt. |
Unheil wende | |
der Wunsch von dir! | |
Gerastet hab‘ ich | |
und süss geruh’t. | |
Weiter wend‘ ich den Schritt. | |
SIEGLINDE | |
Wer verfolgt dich, dass du schon flieh’st? | |
SIEGMUND | |
Misswende folgt mir, | |
wohin ich fliehe; | |
Misswende naht mir, | |
wo ich mich neige. – | |
dir Frau doch bleibe sie fern! | |
Fort wend‘ ich Fuss und Blick. | |
SIEGLINDE | |
So bleibe hier! | |
Nicht bringst du Unheil dahin, | Sl's Situation ist auch un-heilig. |
wo Unheil im Hause wohnt! | |
SIEGMUND | |
Wehwalt hiess ich mich selbst: – | Sm nennt seinen ERSTEN Namen(1). |
Hunding will ich erwarten. | (Name "Hd" zum zweiten Mal.) |
SCENE ZWEI (1. Aufzug) | |
SIEGLINDE | |
Müd‘ am Herd | |
fand ich den Mann: | |
Noth führt‘ ihn ins Haus. | |
HUNDING | |
Du labtest ihn? | Steht er unter dem Schutz des Gastrechtes? |
SIEGLINDE | |
Den Gaumen letzt‘ ich ihm, | Jawohl. |
gastlich sorgt‘ ich sein‘. | |
SIEGMUND | |
Dach und Trank | |
dank‘ ich ihr: (Dir?) | |
willst du dein Weib drum schelten? | |
HUNDING | |
Heilig ist mein Herd: – | Sm steht unter dem Schutz des Gastrechtes. (Plus weitere Konnotationen: konservative Grundeinstellung Hds.) |
heilig sei dir mein Haus! | Subtext: Lass die Finger von meiner Frau! |
Rüst‘ uns Männern das Mahl! | |
HUNDING | |
Wie gleicht er dem Weibe! | Familienähnlichkeit zwischen Sm und Sl. |
Der gleissende Wurm | |
glänzt auch ihm aus dem Auge. | "Silberblick" gemeinsam. |
Weit her! traun! | |
kamst du des Wegs; | |
ein Ross nicht ritt, | Sm kam zufuß |
der Rast hier fand: | |
welch‘ schlimme Pfade | Hd vermutet Probleme. |
schufen dir Pein? | |
SIEGMUND | |
Durch Wald und Wiese, | (Sagt NICHTS über o.e. Kampf und "Meute") |
Haide und Hain, | |
jagte mich Sturm | |
und starke Noth: | |
nicht kenn‘ ich den Weg, den ich kam. | |
Wohin ich irrte, | Sm weiß nicht wo er ist (2). |
weiss ich noch minder: | |
Kunde gewänn‘ ich dess‘ gern. | |
HUNDING | |
Dess‘ Dach dich deckt, | |
dess‘ Haus dich hegt, | |
Hunding heisst der Wirt; | DAS allerdings wissen er und wir schon !-) |
wendest von hier du | |
nach West den Schritt, | |
in Höfen reich | Hd ist integriert in wohlhabende Familie |
hausen dort Sippen, | |
die Hunding’s Ehre behüten. | |
Gönnt mir Ehre mein Gast, | |
wird sein Name nun mir gennant. | Zweite Frage nach Sm's Identität; ERSTE explizite nach seinem Namen. |
HUNDING | |
Trägst du Sorge, | |
mir zu vertrau’n, | |
der Frau hier gieb doch Kunde: | |
sieh‘, wie gierig sie dich frägt! | |
SIEGLINDE | |
Gast, wer du bist, | Sl kennt schon einen Namen, aber der reicht ihr nicht. |
wüsst‘ ich gern. | Sl's Frage ZWEI (nach "Sein" nicht nach "Heißen"!) |
SIEGMUND | |
Friedmund darf ich nicht heissen; | Name ZWEI. |
Frohwalt möcht‘ ich wohl sein: | Name DREI. |
doch Wehwalt musst ich mich nennen. | Name EINS(2). |
Wolfe, der war mein Vater; | Name des Vaters. |
zu zwei kam ich zur Welt, | |
eine Zwillingsschwester und ich. | Existenz der Zwillingsschwester. |
Früh schwanden mir | Mutter und Schwester als Kind verloren. |
Mutter und Maid; | |
die mich gebar | |
und die mit mir sie barg, | |
kaum hab‘ ich je sie gekannt. – | |
Wehrlich und stark war Wolfe; | Viele Feinde. |
der Feinde wuchsen ihm viel. | |
Zum Jagen zog | |
mit dem Jungen der Alte: | |
von Hetze und Harst | |
einst kehrten wir heim: | |
da lag das Wolfsnest leer, | |
zu Schutt gebrannt | (entspricht Sl's Erinnerungen, siehe Akt II, Szene 5) |
der prangende Saal, | |
zum Stumpf der Eiche | |
blühender Stamm; | |
erschlagen der Mutte | Haus zerstört, Mutter erschlagen, Schwester verschwunden. |
mutiger Leib, | |
verschwunden in Gluthen | |
der Schwester Spur: | |
uns schuf die herbe Noth | |
der Neidinge harte Schaar . | Name (/Funktionsbezeichnung?) der Gegner. |
Geächtet floh | Leben als Geächteter (Warum wird NICHT gesagt!) |
der Alte mit mir; | |
lange Jahre | |
lebte der Junge | |
mit Wolfe im wilden Wald: | |
manche Jagd | |
ward auf sie gemacht; | |
doch muthig wehrte | |
das Wolfspaar sich. | |
Ein Wölfing kündet dir das, | Name VIER (= Sippenname) |
den als Wölfing mancher wohl kennt. | (Meta-Text: Anspielung auf das Namens-Problem) |
HUNDING | |
Wunder und wilde Märe | |
kündest du, kühner Gast, | |
Wehwalt – der Wölfing! | Namen EINS(3) und VIER(3) |
Mich dünkt, von dem wehrlichen Paar | |
vernahm ich dunkle Sage, | |
kannt‘ ich auch Wolfe | |
und Wölfing nicht. | |
SIEGLINDE | |
Doch weiter künde, Fremder: | |
wo weilt dein Vater jetzt? | Sl Frage ZWEI (nach dem Vater) |
(Nicht eindeutig, ob jetzt schon ein erster Verdacht Sl's auf ihre eigene Geschichte, also "wo weilt MEIN Vater jetzt?" gemeint ist.) | |
SIEGMUND | |
Ein starkes Jagen auf uns | |
stellten die Neidinge an: | |
der Jäger viele | |
fielen den Wölfen, | |
in Flucht durch den Wald | |
trieb sie das Wild: | |
wie Spreu zerstob uns der Feind. | |
Doch ward ich vom Vater versprengt; | |
seine Spur verlor ich, | |
je länger ich forschte: | Spur des Vaters verloren; |
eines Wolfes Fell | leeres Wolfsfell gefunden. |
nur traf ich im Forst: | |
leer lag das vor mir, | |
den Vater fand ich nicht. | MUSIK: Walhall-Motiv(1), Wolfe=Wotan |
Aus dem Wald trieb es mich fort; | |
mich drängt‘ es zu Männern und Frauen. | Verlangen nach sozialem Kontakt/Integration. |
wie viel ich traf, | |
wo ich sie fand, | |
ob ich um Freund, | |
um Frauen warb, – | |
immer doch war ich geächtet, | Sm ist sozial inkompatibel. |
Unheil lag auf mir. | |
Was Rechtes je ich rieth, | |
andern dünkte es arg; | |
was schlimm immer mir schien, | |
andre gaben ihm Gunst. | |
In Fehde fiel ich, | |
wo ich mich fand, | |
Zorn traf mich, | |
wohin ich zog; | |
gehrt‘ ich nach Wonne, | |
weckt‘ ich nur Weh‘:- | |
drum musst‘ ich mich Wehwalt nennen; | Name EINS(4) |
des Wehes waltet‘ ich nur. | |
HUNDING | |
Die so leidig Los dir beschied, | |
nicht liebte dich die Norn: | |
froh nicht grüsst dich der Mann, | |
dem fremd als Gast du nahst. | |
SIEGLINDE | |
Feige nur fürchten den, | |
der waffenlos einsam fährt! – | |
Künde noch, Gast, | |
wie du im Kampf | |
zuletzt die Waffe verlorst! | Sl Frage DREI (nähert sich der Gegenwart) |
SIEGMUND | |
Ein trauriges Kind | Unbekannte Person, |
rief mich zum Trutz: | |
vermählen wollte | aber bekanntes Muster: Zwangsehe. |
der Magen Sippe | |
dem Mann ohne Minne die Maid. | |
Wider den Zwang | |
zog ich zum Schutz; | |
der Dränger Tross | |
traf ich im Kampf: | |
dem Sieger sank der Feind. | |
Erschlagen lagen die Brüder: | |
die Leichen umschlang da die Maid; | |
den Grimm verjagt‘ ihr der Gram. | |
Mit wilder Tränen Fluth | |
betroff sie weinend die Wal: | |
um des Mordes der eig’nen Brüder | (Ist Bezeichnung "Mord" hier adäquat?) |
klagte die unsel’ge Braut. – | |
Der Erschlag’nen Sippen | |
stürmten daher; | |
übermächtig | |
ächzten nach Rache sie; | |
rings um die Stätte | |
ragten mir Feinde. | |
Doch von der Wal | |
wich nicht die Maid; | |
mit Schild und Speer | |
schirmt‘ ich sie lang‘, | |
bis Speer und Schild | |
im Harst mir zerhau’n. | Waffenlos, s.o. |
Wund und waffenlos stand ich – | |
sterben sah ich die Maid: | |
mich hetzte das wüthende Heer – | |
auf den Leichen lag sie todt. | |
Nun weisst du, fragende Frau, | |
warum ich Friedmund – nicht heisse! | Name ZWEI(2). (HÖHEPUNKT der Sm-Erzählung) |
Wälsungen-Motiv(1) | |
HUNDING | |
Ich weiss ein wildes Geschlecht, | Aber nicht unter dem Namen "Wölfing", sonst hätte er ja oben schon reagiert. (Oder ist dies eine erster leichter Fehler im Aufbau?) |
nicht heilig ist ihm | |
was andern hehr: | |
verhasst ist es Allen und mir. | |
Zur Rache ward ich gerufen, | Hd war Teil o.e. "Meute", aber kannte den Gegner nicht als "Wölfing" |
Sühne zu nehmen | |
für Sippen Blut: | |
zu spät kam ich, | |
und kehrte nun heim, | |
des flücht’gen Frevlers Spur | |
im eig’nen Haus zu erspäh’n. – | |
Mein Haus hütet, | "Heilig ist.."(2) |
Wölfing, dich heut‘; | |
für die Nacht nahm ich dich auf: | |
mit starker Waffe | |
doch wehre dich morgen; | |
zum Kampfe kies‘ ich den Tag: | |
für Todte zahlst du mir Zoll. | |
Fort aus dem Saal! | |
Säume hier nicht! | |
Den Nachttrunk rüste mir drin, | |
und harre mein‘ zur Ruh‘. | Drastische Darstellung der Zwangsehe. |
HUNDING | |
Mit Waffen wehrt sich der Mann. – | |
Dich Wölfing treffe ich morgen; | |
mein Wort hörtest du – | |
hüte dich wohl! | |
SCENE DREI (1. Aufzug) | |
SIEGMUND | |
Ein Schwert verhiess mir der Vater, | "Wolfe" verhieß ihm ein Schwert. |
ich fänd‘ es in höchster Not – | |
Waffenlos fiel ich | |
in Feindes Haus; | |
seiner Rache Pfand | |
raste ich hier: – | |
ein Weib sah ich, | |
wonnig und hehr: | |
entzückend Bangen | Sm ist verliebt. |
zehrt mein Herz: – | |
zu der mich nun Sehnsucht zieht, | |
die mit süssem Zauber mich sehrt- | |
im Zwange hält sie der Mann, | |
der mich – Wehrlosen höhnt. – | |
Wälse! Wälse! | Wahrer Name des Vaters, dem Publikum noch unverständlich. |
Wo ist dein Schwert? | |
Das starke Schwert, | |
das im Sturm ich schwänge, | |
bricht mir hervor aus der Brust, | |
was wüthend das Herz noch hegt? | |
Was gleisst dort hell | |
im Glimmerschein? | |
Welch‘ ein Strahl bricht | |
aus der Esche Stamm? – | |
Des Blinden Auge | |
leuchtet ein Blitz: | |
lustig lacht da der Blick. – | |
Wie der Schein so hehr | |
das Herz mir sengt! | |
Ist es der Blick | |
der blühenden Frau, | |
den dort haftend | |
sie hinter sich liess, | |
als aus dem Saal sie schied? | |
Nächtiges Dunkel | |
deckte mein Aug‘, | |
ihres Blickes Strahl | |
streifte mich da: | |
Wärme gewann ich und Tag. | |
Selig schien mir | |
der Sonne Licht; | |
den Scheitel umgliss | |
mir ihr wonniger Glanz – | |
bis hinter Bergen sie sank. | |
Noch einmal, da sie schied, | |
traf mich abends ihr Schein; | |
selbst der alten Esche Stamm | |
erglänzte in gold’ner Gluth: | |
da bleicht die Blüte – | |
das Licht verlischt – | |
nächtiges Dunkel | |
deckt mir das Auge: | |
tief in des Busens Berge | |
glimmt nur noch lichtlose Gluth. | |
SIEGLINDE | |
Schläfst du, Gast? | |
SIEGMUND | |
Wer schleicht daher? | |
SIEGLINDE | |
Ich bin’s: höre mich an! – | |
In tiefem Schlaf liegt Hunding; | Hunding ist betäubt. |
ich würzt‘ ihm betäubenden Trank. | |
Nütze die Nacht dir zum Heil! | |
SIEGMUND | |
Heil macht mich dein Nah’n! | |
SIEGLINDE | |
Eine Waffe lass‘ mich dir weisen – | |
O wenn du sie gewänn’st! | |
Den hehr’sten Helden | |
dürft‘ ich dich heissen; | |
dem Stärksten allein | das folgert Sl aus dem Geschehenen, s.u. ihren Bericht. |
ward sie bestimmt. | |
O merke wohl, was ich dir melde! – | |
Der Männer Sippe | |
saß hier im Saal, | |
von Hunding zur Hochzeit geladen: | |
er freite ein Weib, | |
das ungefragt | |
Schächer ihm schenkten zur Frau. | Sl lebt in Zwangsehe. |
Traurig sass ich | |
während sie tranken: | |
ein Fremder trat da herein – | |
ein Greis in blauem Gewand; | MUSIK: Walhall-Motiv(2), Greis=Wotan |
tief hing ihm der Hut, | Meta-Text: Gestalt des "Wanderers" wie in Sf |
der deckt‘ ihm der Augen eines; | |
doch des andren Strahl, | |
Angst schuf es allen, | |
traf die Männer | |
sein mächtiges Dräu’n: | |
mir allein | Sl fühlt mit dem Fremden. |
weckte das Auge | |
süss sehnenden Harm, | |
Thränen und Trost zugleich. | |
Auf mich blickt‘ er | |
und blitzte auf Jene, | |
als ein Schwert in Händen er schwang; | |
das stiess er nun | |
in der Esche Stamm, | |
bis zum Heft haftet‘ es drin: | |
dem sollte der Stahl geziemen, | Das Schwert ist zu gewinnen. |
der aus dem Stamm es zög‘. | (Hat der Greis das explizit gesagt, oder nur faktisch angedeutet?) |
Der Männer Alle, | |
so kühn sie sich müh’ten, | |
die Wehr sich keiner gewann; | |
Gäste kamen | |
und Gäste gingen, | |
die stärk’sten zogen am Stahl – | |
keinen Zoll entwich er dem Stamm: | |
dort haftet schweigend das Schwert. – | |
Da wusst‘ ich, wer der war, | Sl vermutet, wer der Greis war. (Sagt es aber nicht.) |
der mich Gramvolle gegrüsst: | (nämlich ihr Vater Wälse, wie sich unten zeigt.) |
ich weiss auch | |
wem allein | |
im Stamm das Schwert er bestimmt. | Sl vermutet, wem das Schwert bestimt ist. (Sagt es aber nicht.) |
(nämlich ihr Bruder Sm, wie sich unten zeigt.) | |
O fänd‘ ich ihn hier | Wehwalt=Siegmund sei möglich. |
und heut‘, den Freund; | |
käm‘ er aus Fremden | |
zur ärmsten Frau: | Sl's Zwangsehe bedeutet Leid. |
Was je ich gelitten | |
in grimmigem Leid, | |
was je mich geschmerzt | |
in Schande und Schmach, – | |
süsseste Rache | |
sühnte dann alles! | |
Erjagt hätt‘ ich | |
was je ich verlor, | |
was je ich beweint | |
wär‘ mir gewonnen – | |
fänd‘ ich den heiligen Freund, | |
umfing‘ den Helden mein Arm! | |
SIEGMUND | |
Dich selige Frau | |
hält nun der Freund, | |
dem Waffe und Weib bestimmt! | Sm ist sicher, dass er gemeint ist. |
Heiss in der Brust | |
brennt mir der Eid, | |
der mich dir Edlen vermählt. | (Aber nur seine Verliebtheit macht ihn dessen sicher!-) |
Was je ich ersehnt, | (Liebe als Projektion.) |
ersah ich in dir; | |
in dir fand ich | |
was je mir gefehlt! | |
Littest du Schmach, | |
und schmerzte mich Leid; | |
war ich geächtet, | |
und warst du entehrt: | |
freudige Rache | |
ruft nun den Frohen! | |
Auf lach‘ ich | |
in heiliger Lust, | |
halt‘ ich dich Hehre umfangen, | |
fühl‘ ich dein schlagendes Herz! | |
SIEGLINDE | |
Ha, wer ging? wer kam herein? | |
SIEGMUND | |
Keiner ging – | |
doch Einer kam: | |
siehe, der Lenz | |
lacht in den Saal; | |
Winterstürme wichen | |
dem Wonnemond, | |
in mildem Lichte | |
leuchtet der Lenz; | |
auf linden Lüften | |
leicht und lieblich, | |
Wunder webend | |
er sich wiegt; | |
durch Wald und Auen | |
weht sein Atem, | |
weit geöffnet | |
lacht sein Aug‘. | |
Aus sel’ger Vöglein Sange | |
süss er tönt, | |
holde Düfte | |
haucht er aus; | |
seinem warmen Blut entblühen | |
wonnige Blumen, | |
Keim und Spross | |
entspringt seiner Kraft. | |
Mit zarter Waffen Zier | |
bezwingt er die Welt. | |
Winter und Sturm wichen | |
der starken Wehr: – | |
wohl musste den tapfren Streichen | |
die strenge Thüre auch weichen, | |
die trotzig und starr | |
uns – trennte von ihm. – | |
Zu seiner Schwester | |
schwang er sich her; | |
die Liebe lockte den Lenz: | "Liebe" und "Lenz" als Geschwister. |
in uns’rem Busen | |
barg sie sich tief; | Sm und Sl haben sich immer schon geliebt / Liebe als Projektion. |
nun lacht sie selig dem Licht. | |
Die bräutliche Schwester | HALBE Gleichsetzung Lenz/Liebe=Sm/Sl. |
befreite der Bruder; | |
zertrümmert liegt | |
was je sie getrennt: | |
jauchzend grüsst | |
sich das junge Paar: | |
vereint sind Liebe und Lenz! | |
SIEGLINDE | |
Du bist der Lenz, | VOLLE Gleichsetzung Lenz/Liebe=Sm/Sl |
nach dem ich verlangte | |
in frostigen Winters Frist. | |
Dich grüsste mein Herz | |
mit heiligem Grau’n, | |
als dein Blick zuerst mir erblühte. - | Oben bei "Des seimigen Metes ..." |
Fremdes nur sah ich von je, | |
freudlos war mir das Nahe; | |
als hätt‘ ich nie es gekannt | |
war was immer mir kam. | |
Doch dich kannt‘ ich | Projektion = Kindheitserinnerung |
deutlich und klar: | |
als mein Auge dich sah, | |
warst du mein Eigen; | |
was im Busen ich barg, | |
was ich bin, | |
hell wie der Tag | |
taucht‘ es mir auf, | |
o wie tönender Schall | |
schlug’s an mein Ohr, | |
als in frostig öder Fremde | |
zuerst ich den Freund ersah. | |
SIEGMUND | |
O süsseste Wonne! | |
seligstes Weib! | |
SIEGLINDE | |
O lass in Nähe | |
zu dir mich neigen, | |
dass hell ich schaue | |
den hehren Schein, | "Gleissende Wurm" |
der dir aus Aug‘ | |
und Antlitz bricht | |
und so süss die Sinne mir zwingt. | |
SIEGMUND | |
Im Lenzesmond | |
leuchtest du hell; | |
hehr umwebt dich | |
das Wellenhaar; | |
was mich berückt | |
errath‘ ich nun leicht – | |
denn wonnig weidet mein Blick. | |
SIEGLINDE | |
Wie dir die Stirn | |
so offen steht, | |
der Adern Geäst | |
in den Schläfen sich schlingt! | |
Mir zagt es vor der Wonne, | |
die mich entzückt, – | |
ein Wunder will mich gemahnen: – | |
den heut‘ zuerst ich erschaut, | Projektion = Kindheitserinnerung |
mein Auge sah dich schon! | |
SIEGMUND | |
Ein Minnetraum | |
gemahnt auch mich: | |
in heissem Sehnen | |
sah ich dich schon! | |
SIEGLINDE | |
Im Bach erblickt‘ ich | Selbstähnlichkeit |
mein eigen Bild – | |
und jetzt gewahr‘ ich es wieder: | |
wie einst dem Teich es enttaucht, | |
bietest mein Bild mir nun du! | |
SIEGMUND | |
Du bist das Bild, | |
das ich in mir barg. | |
SIEGLINDE | |
O still! lass mich | (Etwas schiefe Formulierung!-) |
der Stimme lauschen: – | |
mich dünkt, ihren Klang | |
hört‘ ich als Kind – – | |
doch nein! ich hörte sie neulich, | Projektion = Kindheitserinnerung UND Selbstähnlichkeit |
als meiner Stimme Schall | |
mir widerhallte der Wald. | |
SIEGMUND | |
O lieblichste Laute, | |
denen ich lausche! | |
SIEGLINDE | |
Deines Auges Gluth | Familienähnlichkeit Greis ~ Sm |
erglänzte mir schon: – | |
so blickte der Greis | |
grüssend auf mich, | |
als der Traurigen Trost er gab. | |
An dem Blick | |
erkannt‘ ihn sein Kind – | Sl hält den Greis für ihren Vater. |
schon wollt‘ ich bei’m Namen ihn nennen – | FRAGE nach dem Namen des Greises |
Wehwalt heiss’st du fürwahr? | Zweifel an Sm's Namen EINS. |
SIEGMUND | |
Nicht heiss‘ ich so | |
seit du mich liebst: | |
nun walt‘ ich der hehrsten Wonnen! | |
SIEGLINDE | |
Und Friedmund darfst du | Zweifel an Sm's Namen ZWEI(3). |
froh dich nicht nennen? | |
SIEGMUND | |
Nenne mich du, | |
wie du liebst, dass ich heisse: | |
den Namen nehm‘ ich von dir! | |
SIEGLINDE | |
Doch nanntest du Wolfe den Vater? | Zweifel an Sm's Vatersnamen. |
SIEGMUND | |
Ein Wolf war er feigen Füchsen! | |
Doch dem so stolz | |
strahlte das Auge, | |
wie, Herrliche, hehr dir es strahlt, | |
der war – Wälse genannt. | Wälse = Wolfe |
SIEGLINDE | |
War Wälse dein Vater, | |
und bist du ein Wälsung, | Sippenname ZWEI(1) |
stiess er für dich | Identität Greis = Wälse. |
sein Schwert in den Stamm – | |
so lass mich dich heissen | |
wie ich dich liebe: | |
Siegmund – | Also ist er ihr Bruder. Name VIER(1) |
so nenn‘ ich dich! | |
SIEGMUND | |
Siegmund heiss‘ ich, | Name VIER(2) |
und Siegmund bin ich: | Name VIER(3) |
bezeug‘ es dies Schwert, | |
das zaglos ich halte! | |
Wälse verhiess mir, | |
in höchster Not | |
fänd‘ ich es einst; | |
ich fass‘ es nun! | |
Heiligster Minne | |
höchste Noth, | |
sehnender Liebe | |
sehrende Noth, | |
brennt mir hell in der Brust, | |
drängt zu That und Tod: | |
Nothung! Nothung! | Name des Schwertes(1+2) |
so nenn‘ ich dich Schwert – | |
Nothung! Nothung! | Name des Schwertes(3+4) |
neidlicher Stahl! | |
Zeig‘ deiner Schärfe | |
schneidenden Zahn: | |
heraus aus der Scheide zu mir! | |
Siegmund den Wälsung | Name VIER(4) plus Sippenname ZWEI(2) |
siehst du, Weib! | Wälsungen-Motiv(2) |
Als Brautgabe | |
bringt er dies Schwert: | |
so freit er sich | |
die seligste Frau; | |
dem Feindeshaus | |
entführt er dich so. | |
Fern von hier | |
folge mir nun, | |
fort in des Lenzes | |
lachendes Haus: | |
dort schützt dich Nothung das Schwert, | Name des Schwertes(5) |
wenn Siegmund dir liebend erlag! | Name VIER(5) |
SIEGLINDE | |
Bist du Siegmund, | Name VIER(6) |
den ich hier sehe: – | |
Sieglinde bin ich, | Sl's Name: EINZIGES Mal |
die dich ersehnt: | |
die eig’ne Schwester | |
gewannst du zu eins mit dem Schwert! | |
SIEGMUND | |
Braut und Schwester | Braut=Schwester |
bist du dem Bruder – | |
so blühe denn Wälsungen-Blut! | Sippenname ZWEI(3) |
1 Es könnte allenfalls die Bezeichung des ungeborenen Sf als "herstem Helden der Welt" durch die i.A. wohlinformierte Brünnhilde in Sl einen Verdacht über die Identität seines Großvaters erwecken!?
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