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^inh 2010100200 | ereignis |
Lief doch jüngst im ARD-Nachtkonzert ein Werk genannt Sinfonische Auszüge aus Richard Wagners Parsifal, verfasst von dem weithin bekannten und gewiß hochverdienten Dirigenten Erich Leinsdorf.
Dieses Werk war im höchsten Maße geeignet, die musikhistorische Größe, den dramaturgischen Instinkt und das kompositorische Genie des Meisters zu verdeutlichen und preisen zu machen.
Es funktioniert nämlich vorne und hinten nicht !
Wenn man die Süßigkeit einer Sachertorte auf die Masse eindampft, die ein Teelöffel faßt, dann erhöht man damit mitnichten ihre Verdaulichkeit!
Tröstlich, wahrlich, daß diese "sinfonischen Auszüge" vorne und hinten zu eng sind, nicht gefallen können, zwischen Lächerlichem, Langweiligem und Unverständlichem pendeln. Das zeigt, das beweist, das zumindest der Parsifal (wenn nicht auch evtl. noch andere Werke des Herrn Wagner) schlicht gesagt, eben ein wahres Kunstwerk ist.
An einem solchen aber kann man nicht rumpfuschen. Da kann man nicht die "schönsten Momente" draus eindampfen. Die sind es dann nämlich nicht mehr! Da ist nämlich wirklich alles mit allem verbunden, verwoben, da stützt und gründet sich der letzte Takt auch auf den allerersten, und die Mitte dazwischen, die braucht's auch!
Beim Kunstwerk, das diesen Namen verdient, da gibt's keinen "Königsweg" zu seinem Erleben. Da muß man durch, so wie es ist!
Konkret:
Es gibt in der gesamten Musikgeschichte wenige Momente, die man als wirklich "heilig" bezeichnen kann, in des Wortes innerster Bedeutung und mit äußerster Konsequenz.
Für den Verfasser sind das ...
Was aber ist letztere, aus dem Kontext genommen? Das allertrivialste, was die
Musik überhaupt kennt: Das schlichte Durchschreiten des halben Quintenzirkels,
von D-Dur bis As-Dur.
Sowas Blödes aber auch!
Wirkung und Effekt, Wahrheit und Semantik erhält es in seiner Funktion im Gesamtwerk aus diesem als seinem Kontext:
Erstens, daß Quintbeziehungen reiner Dreiklänge
in den letzten zwei Stunden kaum auftraten!
Die Ödnis von Parsifals Irrfahrt, die Verlassenheit des Gralswaldes,
die verminderten Intervalle von Kundrys Wahnsinn, all das ist die notwendige
Folie, auf der hier dann die Dreiklänge, gleichsam hart erarbeitet, in voller
Naivität strahlen dürfen.
Und weiter, daß jede der in der Schlußsequenz berührten Tonarten (D-Dur, h-moll, A-Dur, fis-moll, E-Dur, cis-moll, Ces-Dur, as-moll, Ges-Dur, es-moll und Des-Dur) in den sechs Stunden vorher mit Semantik aufgeladen wurde, so daß sich hier unter der Zauberformel des Quintenzirkels die unheile und zerissene Außenwelt, mit ihren Traumatisierungen, ihrem Hass und ihrem Rachdurst, nun zu einem geheilten Ganzen zusammenfindet, das macht Bedeutung und Wirkung dieses Schlusses aus, das erhebt den Hörer über das Hier und Jetzt in die Sphäre ewiger Bestimmung.
Zu bloßem Klang- und Farbenspektakel degradiert, aus dem Kontext gerissen, wird gerade der Schluß, aber werden auch die anderen verwursteten "Stellen", unverständlich, wirken dümmlich, ja abstoßend.
"Sei heil, entsündigt und gesühnt, denn ich verwalte nun dein Amt", --- die zentrale Funktion der hier angewandten Harmonisierung ist nur dem verständlich, der eine derartige Auflösung des übermäßigen Dreiklanges die letzten fünf Stunden, trotz aller harmonischer Gespanntheit und Buntheit, eben nicht gehört hat.
Die schiere Menge kann umschlagen in Bedeutung, Semantik und Kontext auch durch das, was sie vermeidet, was sie nicht berührt. Und hat diese Menge auch durchaus Momente von "Länge", so ist doch die Belohnung, der Genuß dieser dann einzigen Auflösung nicht anders bezahlbar.
Und, das macht uns wirklich froh, auch nicht billiger zu haben!
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