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^inh 2010092600 | phaenomen |
Als Kind hatten sie mich immer geärgert: die Inkommensurabilitäten im Kalender!
(Wobei "Kalender" meint den hierzulande gebräuchlichen, den gregorianischen, nicht beachtend die Schaltjahre.)
Dann hat das Jahr bekanntlich 365 Tage. Das sind 52*7+1, also 4*13 Wochen und ein zusätzlicher Tag.
Jedes bestimmte Jahresdatum ("dritter Mai" oder "erster Januar") fällt also immer im nächsten Jahr auf den nächsten Wochentag. Das Jahr "frißt" sozusagen immer einen Wochentag weg, und die Geburtstage schieben sich so durch die Woche nach hinten.
Nun zu den Monaten:
Setzte man diese mit je dreißig Tagen an, so dauerte das Jahr
12 Monate und fünf Tage.
365 = 73 * 5 = (72+1) * 5 = (12*6 +1)*5
und 30 = 6 * 5,
das ist wenigstens "ein bißchen kommensurabel",
sic verbum licet.
Hilft aber nicht viel! Fünf Tage müssten irgendwie untergebracht werden.
Statt aber die einfache Rechnung zu machen und fünf etwas längere Monate
einzuführen ...
7 * 30 = 210 5 *(30+1) = 155 ----- 365 |
...geht der Kalender einen unverständlichen Umweg und verkürzt, ganz im Gegensatz zum Benötigten, sogar noch den Februar um zwei(2) Tage, auf daß dann insgesamt sieben(7) fürs volle Jahr fehlen:
1 * (30-2) = 28 4 * 30 = 120 7 * (30+1) = 217 ----- 365 |
Es ergibt sich hier wie dort eine Verteilung "sieben zu fünf" der langen und der kurzen. Das ist für einen Musiker ja erst einmal sehr anheimelnd und vertraut, denn es entspricht dem Verhältnis der weißen zu den schwarzen Tasten. Aber in dieser zweiten Lösung sind sich die kurzen untereinander noch nicht mal gleich! Das wäre nicht nötig gewesen!
Und die Verteilung im Jahr: noch gruseliger! Die einzige Anordnung, die einen Ansatz von Ordnung hineinbringt, ist, mit null(0) zu zählen zu beginnen (wie sich das gehört) und den Januar auf den Platz von "null Uhr" zu stellen:
Jan X X - o X Okt X ---------- o Apr o X X o X Jul |
Dann hat man links zwei und rechts drei kurze, und oben und unten sind wenigstens symmetrisch.
Soweit zum Verhältnis von Monat und Jahr. Das wurde halt irgendwie hingebogen.
Bei den anderen beiden Verhältnissen bleibt es bei Phasenverschiebungen: Weder Jahr noch Monat geht in die Wochen auf!
EXKURS:
Das Problem der Verteilung von fünf und sieben auf zwölf und die für die Monate geltende Lösung erinnert an die Aufgabe, ein Quadrat auf "möglichst energiearme Weise" in fünf (im Zentrum endende) Segmente zu zerlegen.
Dafür gibt es zwei duale Lösungen (a) und (b):
------------- ------------- | | / | | | / | | | / | | | / | |______|/ | |______|/ | | |\ | | / \ | | | \ | | / \ | | | \ | | / \ | ------------- ------------- (a) (b) /\ / | \ / | \ / | / \ / ______|/ \ \ |\ / \ | \ / \ | / (c) \ / \/ |
Die Lösungen bestehen darin, daß zunächst Achtel gebildet
werden durch Strecken vom Mittelpunkt zu den Ecken und Seitenhalbierenden,
und diese dann vereinigt werden nach der Formel 2-2-1-2-1.
Die beiden dualen Lösungen gehen ineinander über, wenn man das Träger-Quadrat
um 45 Grad dreht (c).
Realweltliche Verwendungen:
[1] Die erste Darstellung (a) entspricht dem Werbe-Signet der "Kaufland"-Supermärkte,
[2] und dem offiziellen technischen Zeichen für die
sog. "K-Sperre" oder "Erlaubnissperre" beim elektromechanischen
Streckenblock für eingleisige Bahnstrecken,
[3] und (um neunzig Grad nach links gedreht) dem Straßenverlauf im
Berliner Tiergarten von und nach der Siegessäule.
Daß Punkt [3] durchaus relevant ist, zeigen die verwirrten fußläufigen
Touristen, die am falschen Ende des Tiergartens rauskommen weil sie
unterbewußt vier einmündende Straßen, oder vielleicht auch
sechs, jedenfalls aber deren genaues paarweises Gegenüberliegen
ihren Orientierungsbemühungen zugrundegelegt hatten.
(Steht man einmal am Rand des "großen Sternes", dann sind die Dimensionen
so gewaltig, daß unser Auge das nicht mehr zuverlässig überprüfen kann.
Ein vorheriger Blick auf die Karte lohnt sich allemal !-)
Es gab in der Geschichte des öfteren Vorschläge für synthetische Kalender, die o.e. Phasenverschiebungen und Unsymmetrien vermeiden wollen.
So z.B. der Auenland-Kalender von J.R.R. Tolkien im "Anhang D" zum letzten Band von Lord Of The Rings [tolkienHDR].
Seine Struktur ist die folgende:
Yultag-1 1 (Samstag) Drei Monate 3*30 = 90 ----- 91 = 13*7 (Samstag bis Freitag) Drei Monate 3*30 = 90 Lith-Tag-1 1 ----- 91 = 13*7 (Samstag bis Freitag) Mittsommertag 1 (ist kein Wochentag!) (Schalttag) (1) (ist kein Wochentag!) Lith-Tag-2 1 (ist Samstag) Drei Monate 3*30 = 90 ----- 91 = 13*7 (Samstag bis Freitag) Drei Monate 3*30 = 90 (Samstag bis Donnerstag) Yultag-2 1 (ist Freitag) ----- 91 = 13*7 (Samstag bis Freitag) |
Eigenschaften:
[] Die Monate haben sämtlich 30 Tage.
[] Von den fünf(5) notwendigen zusätzlichen Tagen werden vier gleichmäßig
und symmetrisch auf die Jahreszeiten verteilt (zwei "Yul"- und zwei "Lith"-Tage),
zählen aber nicht zu den Monaten im engeren Sinne.
(Man könnte sie auch dazurechnen, dann hätten die Jahreszeiten
symmetrisch die Monatslängen 31-30-30/30-30-31. Nur die Zählung der Tage im jeweils
ersten Monat des Halbjahres wäre dann um eins höher.)
[] Jede Jahreszeit hat somit 91 Tage, das sind genau 13 Wochen.
[] Der fünfte noch fehlende Tag wird zum Mittsommertag.
Er wird nicht als Wochentag gezählt.
[] Das Gesamtjahr und jede Jahreszeit beginnt folglich immer mit demselben Wochentag.
[] Es verschiebt sich garnix, ein und derselbe Kalender gilt für jedes Jahr.
Und gerade letzter Punkt ist keinesfalls wünschenswert!
Natürlich ist es für Arbeitnehmer unangenehm, wenn der 25. Dezember auf einen Samstag fällt. Es ist aber doppelt schön, wenn dann ein Jahr und ein Schaltjahr später Dienstag und Mittwoch Weihnachten ist, und Montag für die meisten ein "Brückentag".
So ist (erstens) jedes Jahr anders, andersartig, hat ein anderes Gesicht. Für alle angestellten Arbeitnehmer und Arbeitgeber schon allein durch die bloße Anzahl der Arbeits- und Brückentage.
Mehr noch, so etwas prägt sich ein, man kann (zweitens) Jahre daran identifizieren und sich erinnern. "Das Jahr, wo der dritte Oktober n Freitag war, ...", da weiß man noch genau, was man an dem Tag gemacht hat, "das Jahr in welchem mein Geburtstag mal wieder auf nen Sonntag fiel", die Jahreszahl kann man rekonstruieren!
Und in der Literatur! "Der erste November, das ist ein Donnerstag, sagte Sherlock Holmes, wir müssen uns beeilen", --- schon weiß man, in welchem Jahr aus jeder Sieben-Jahres-Periode diese Kriminalgeschichte nur spielen kann, und wenn der Dichter etwas anderes behauptet, hat er schlampig recherchiert!
(Siehe in diesem Zusammenhang auch die Aufführungsmöglichkeiten des Weihnachtsoratoriums wie dargestellt in senza tempo Nr. 6)
Somit ist gerade die Phasenverschiebung, die Unsymmetrie, die Inkommensurabilität zwischen Kalenderdatum und Wochentag ein grundlegendes und unverzichtbares Mittel unserer zeitlichen Orientierung.
In der Musik ist es ähnlich:
Auch hier haben wir als eine der wichtigsten Grundlagen aller Praxis und Theorie
die Verteilung "sieben zu fünf", nämlich auf der Klaviatur.
Die sieben weißen Tasten entsprechen den sieben Tonstufen der C-Dur-Tonleiter,
die fünf schwarzen den dazwischenliegenden Tönen.
Diese wiederum gruppiert als zwei plus drei, die sie umgebenden weißen folglich
als drei plus vier.
Das alles müsste nicht so sein! Die zwölf Töne der chromatischen Skala
hätten auch linear verteilt werden können,
immer abwechselnd auf sechs weiße und
sechs schwarze Tasten
Der Vorteil wäre klar: Als Pianist müßte man nur noch
zwei(2) Tonleitern,
Kadenzen, Dreiklangsbrechungen, Passagen, etc. üben, nicht mehr
zwölf(12) ! Welch enorme Erleichterung!
Es gäbe z.B. nur noch die eine Tonleiter, die mit einer weißen, und die
andere, die mit einer schwarzen Taste beginnt. Für alle
weiteren Tonarten müsste ich nur "eine Taste weiter links" beginnen, der
Bewegungsablauf bliebe immer derselbe!
Ebenso gäbe es, immer rein grifftechnisch betrachtet, nur noch
zwei Exemplare von jeder Art Dreiklang und Septakkord,
und sogar nur noch einen einzigen DV! Und erst diese eklige chromatische
Tonleiter, wie simpel würde die plötzlich!
Das würde doch das Klavierstudium erheblich vereinfachen und beschleunigen, und
heute, wo alle sparen müßten, kann man so ohne großen Qualitätsverlust am
Ausbildungsaufwand sparen. Das wäre doch ein schöner Beitrag der Kunst zur
Finanzierung der auch von ihr selbstverständlich mitverschuldeten
Bankenkrise!
Leider nein!
Auf der Klaviatur wird nämlich o.e.
"Orientierung durch Unsymmetrie" zur nackten Notwendigkeit!
Ein Pianist, der bei der Aufführung eines Streichtrios nach einigen Takten Pause
wieder einstigen will, muß die richtige Position auf der Klaviatur auf Anhieb
und unmißverständlich finden, --- er sollte nämlich nicht ungewollt die Tonart
wechseln, ohne die Kollegen zu fragen!
Er darf aber auch nicht erst nach Beschriftungen
oder farbigen Markierungen suchen müssen, "wo ist denn nun das Zeee?".
Auch schon im reinen Solo-Spiel: Große Sprünge sind nur möglich, weil das gis
und das fis einen schon aus x Oktaven Abstand eindeutig anlachen.
Sonst wären die nicht zu finden, selbst nicht beim besten Körpergefühl.
Nicht wenn der Sprung fast einen Meter weit ist!
Und auch das Merken, das Auswendiglernen wird stark erleichtert,
ja, oft sogar erst ermöglicht durch die Unsymmetrien: Wenn ich in
der Rp halt eine Quinte tiefer spielen muß, dann steht meine Hand zu den
Motiven und Akkorden oft ganz anders. Dasselbe Thema in G-Dur und in D-Dur
kann man garnicht verwechseln, da der Fingersatz wegen der unterschiedlichen
Obertasten ein wirklich weitgehend anderer ist!
Wenn ich also beide Stellen gleich gut trainiert habe, habe ich damit
auch ihre Unterschiede be-griffen.
Und die sind in allen Fällen in der Handhaltung größer als im Notentext!
Und ein zweiter Aspekt spricht dagegen: Auf historisch gewachsenen "un-egalen" Klaviatur hat nämlich jede Tonart eine andere Position zu den Tasten, und damit andere technische Schwierig- und Leichtigkeiten.
So sind weitlaufende Dreiklangsbrechungen am einfachsten in Des-Dur, da kann der Daumen schön untenbleiben und Grundton und Quinte liegen auf Obertasten. Aber schon in Ges-Dur sind sie recht unangenehm, in D-Dur hingegen nur etwas weniger leicht.
Weiterhin ...
[] können Quinte und Quartvorhalt in einem cis-moll Klang vom Daumen allein
gespielt werden (cf Regentropfenprélude),
nicht aber in einem h-moll-Klang;
[] nur in H-, Fis und Cis-Dur, gis- dis- und b-moll sind alle Obertasten leitereigen;
[] nur einer der drei DVs ist symmetrisch zur Tastatur;
[] nur in C-Dur ist eine Tonleiter als glissando möglich (cf. Waldstein-Sonate);
[] c-moll ergibt als einziger moll-Griff eine Taste nach links verschoben einen
Dominantseptakkord (Lepper op.1, Takt 73);
[] etc. pp.!
Aus all diesen technischen Gegebenheiten können sich potentiell kompositorische, also inhaltliche und klangliche Unterschiede und Schwerpunkte entwickeln. Dadurch hat gerade die Nicht-Neutralität der Klaviatur im Verhältnis zu den verschiedenen Tonarten viel beigetragen, daß diesen, auf einem Instrument wie dem Klavier (im Ggs. zu Bläsern oder Streichern) eigentlich recht abstrakten und inhaltslosen Systemen, unterschiedliche Farbigkeiten, Charaktere und Verwendungen zugeordnet wurden.
Dies geschah allerdings im Zuge einer jahrhundertelangen Entwicklung von Klavierbau, Klavierkomposition, Klavierlehre, pianistischer Technik und inhaltlich-kritischer Reflexion, die vom Barock bis zur Spätromantik dauerte.
So hat es z.B. selbst nach dem Wohltemperierten Clavier noch ein Jahrhundert gedauert, bis es Allgemeinwissen der Komponisten wurde, daß fis-Dur und fis-moll sehr angenehme Tonarten für einen Pianisten sind, im Gegensatz zu G-Dur oder, noch schlimmer, C-Dur.
Das ist die schlimmste aller Tonleitern. (Da weiß der Daumen nämlich von sich aus nie, wo er gerade ist !-)
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