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^inh 2010090203 | monograph |
In der klassischen Sonatenhauptsatzform, bis hin zu Romantik, Spätromantik, ja --- Moderne, ist eine zunächst rein technische, dann aber im Laufe der Jahrhunderte zunehmend mit Semantik aufgeladene Maßnahme die sog. "Einrichtung des Seitensatzes".
Diese besteht darin, daß das zweite Themen, auch Seitensatz genannt, in der Exposition in einer entfernteren Tonart erscheint, aber nach der Durchführung, in der Reprise, gleichsam heimgeholt wird in eine zur Haupttonart näheren. Dies im ausdrücklichen Gegensatz zum Hauptthema, welches beidemal untransponiert in ebendieser erscheinen muß.
Die normalen Tonart-Abfolgen sind
Exp Rp HTh Ss HTh Ss Sonatensatz in Dur: T D T T Sonatensatz in moll: t tP t T |
(Es gibt aber früh schon Abweichungen von diesem Schema, wenn auch in der Klassik sehr selten.)
Kritisch bei diesem Vorgang ist naturgemäßt immer die Überleitung.
Der Ss der Rp selbst, ist einmal die neue Tonart erreicht, unterscheidet sich
von dem der Exp nur durch seine Transpositionsstufe
(sofern nicht weitere kleinere Modifikationen hinzutreten,
wie weiter unten besprochen). Die Überleitung hingegen geht einmal von X nach Y,
dann aber von X nach Z. Dies erfordert eine weitgehende Anpassung der Gestaltung,
wie ja auch für die meisten Hörer der Unterschied einer großflächigen,
gleichbleibenden Transponierung (besonders wenn die ganze Df dazwischenliegt!)
viel weniger deutlich zu vernehmen ist als der Unterschied der
konkreten melodischen Gestalt von zwei verschiedenartigen Modulationen,
die beide in derselben Tonart beginnen, aber in eine je andere
überleiten müssen.
Ist die eingerichtete Überleitung erst einmal vorbei, scheint wieder alles
bekannt, und der Hörer fühlt sich daheim. Dennoch aber bleibt das mehr oder
weniger bewußte Gefühl, das "irgendetwas anders ist".
Die "Einrichtung der Überleitung zum Seitensatz" ist gleichsam ein Phänomen dritter Ordnung: Sie wird ja erst benötigt durch die Einrichtung des Ss selber. Dennoch aber werden sich gerade aus ihr in der Klassik ganze "nachgeholte Durchführungen" entwickeln, cf. Jupitersinfonie.
Aber auch die transponierte Wiederholung, zunächst als "tongetreu" oder "wörtlich" gemeint, kann dem Hörer noch stärker als "modifiziert" verdeutlicht werden, als es die bloße Tranposition kann, zumal die in eine doch "recht ähnliche" Tonart.
Willkürliche Veränderungen aber, die keine tiefere Begründung haben, sind dem klassischen Denken fremd. Dieses ist ja grundsätzlich dem Prinzip der Minimierung der Entscheidungen und Maximierung der Konsquenzen verpflichtet. Deshalb können wir in diesem Zusammenhang sehr schon die "formbildenden Tendenzen des Materials" beobachten: thematische Strukturen, die den Tonumfang des Instrumentes weit ausnutzen, können nämlich häufig nicht einfach transponiert werden, da dazu notwendige Töne fehlen. Und auch wenn das u.U. technisch möglich wäre, gibt es doch häufig klanglich schlicht häßliche Ergebnisse.
Diese Notwendigkeit wird von den klassischen Komponisten nun dankbar aufgegriffen, um daraus kompositorische Substanz zu gewinnen, und eine varieatas delectans, die sich nicht aus Willkür ergibt.
Es müssen nun nämlich (teilweise sehr raffinierte) motivisch-diastematische Maßnahmen ergriffen werden, um die transponierte Wiedergabe des Ss in der Rp auf musikalisch logische und überzeugende Weise trotz der fehlenden Töne dennoch zu ermöglichen.
(Man vergleiche nur Beethoven, Sturmsonate op. 31 Nr. 2, erster Satz, Takt 60ff vs. 190ff, ds. Finale Takt 80ff vs 308ff.)
Das aber hat zur Konsequenz, daß in den Fällen, wo ein moderneres Instrument als das vom Komponisten damals avisierte diese Einschränkungen nicht mehr hat, und eine ton-getreue Transposition im Ggs. zu damals nun also möglich ist, es meistens nicht statthaft ist, eine solche einfach zu substituieren! Der Komponist hat ja in der Gesamt-Faktur der Werkes auf diese zeitgenössische Einschränkung reagiert, sie ist in das Werk eingebrannt. So würde z.B. die in guten Kompositionen stets bedeutungsvolle Verteilung von Spitzentönen verändert, ja zerstört, wenn der Interpret einfach oben und unten Oktaven dazusetzte.
Dies wäre allemal in jedem Einzelfall nach strengen Kriterien zu überprüfen. Hier hören Sie also in senza⌒tempo ausnahmsweise mal eine Verteidigung einer "historischen Aufführungspraxis", wenn auch nur in dieser speziellen kompositorischen Frage!
Eine spezielle Situation sehen wir beim Vergleich von Exp und Ss im Finale von Beethovens erster Klaviersonate op.3 Nr 1:
Wenn man diesen Satz als Sonatenhauptsatz bezeichnen will, ist es ein sehr eigentümlicher, der eher Elemente der "Rondoform" inkorporiert. Immerhin gibt es eine deutliche Exp und Rp, und in diesen je zwei Themen, die als HTh und Ss aufgefaßt werden können. Die Tonartendisposition ist dann, analog zu obigem Schema, ...
Exp Rp HTh Ss HTh Ss op. 3 Nr. 1 --- Finale t d t t |
...und erinnert also deutlich an o.e. "Einrichtung"
Ungewöhnlich sind zweifellos, (1) daß ein Satz in moll auch ein zweites Thema in moll aufweist, und (2) daß die tonale Anpassung bereits im HTh selbst stattfinden: es endet in der Exp in f-moll und in der Rp in c-moll !
Eine "Einrichtung der Überleitung" ist also eigentlich nicht mehr nötig! Dennoch aber ist diese betroffen!
Betrachten wir aber zunächst den Ss selbst:
Dieser Notentext abstrahiert davon, daß (1) die linke Hand alle Akkorde in Triolenachteln aufwärts bricht, und (2) die Melodie der rechten Hand von der tiefen Oktave begleitet wird.
Dadurch aber zeigt sich sehr schön der oben angedeutete kreative oder auch strukturgenerierende Umgang mit den Beschränkungen des Instrumentes: der Lagenwechsel geschieht in Exp und Rp an je anderer Stelle, mit dem Effekt, daß beidemal "c3" der Spitzenton wird, aber in je anderer Funktion.
Außerdem zeigen sich schön die weiteren "Einrichtungen": der hartverminderte Doppeldominantakkord wird in Rp (Takt 178/186) vermieden, in Exp (Takt 39/47) gebracht. Als Ausgleich bringt Rp den dort wegfallenden Ton "des" gleich zu Beginn, im "tG" Takt 179, ZZt 3.
Diese Beschleunigung des harmonischen Rhythmus' ihrerseits bringt den "Vorhalt" des "des" im nächsten Takt hervor. Hier ist auch schön zu sehen, daß nicht alles mit den Mitteln der "funktionalharmonischen Akkordanalyse" zu erlären ist. Die nämlich kann da nur ein "?" hinschreiben, eine verkürzter Dominantseptakkord, der seine Septime "freiwillig abgibt" ist nämlich nicht funktional! Der Schritt des-es ist nur als Stimmführungsereignis zu verstehen: Der ganze Takt ist ein und dieselbe Funktion ( (D) nach tP ), und die Septime des Klanges geht in einer funktionsinternen Stimmführung vom Alt in den Sopran über.
Betrachten wir nun die unmittelbar vorangehenden Takte, die beiden Überleitungen. Fast alle Mehrklänge werden in Achteln gebrochen (Triolen oder Duolen), von der rechten Hand abwärts, von der linken aufwärts.
Ausnahmen sind:
r.Hd. Modell B und D erstes Viertel wird
singulär und mit motivischer Wirkung aufwärts gebrochen.
r.Hd. Anfang der Rp, Takt 161 bis 163 erstes Viertel: aufwärts.
l.Hd. Takt 163 bis 165 garkeine Brechung sondern gleichzeitige Oktavgriffe.
Das HTh endet mit einem viertaktigen Verharren auf dem Klang der aktuellen Tonika (Exp: c-moll, Rp: f-moll), auskomponiert durch das chromatische Umspielen der Quinte: Exp Takt 22: g-as-g-fis gegen c+es, Rp Takt 167, c-des-c-h gegen f+as. Diese Pendelbewegung ist mit genau dieser Harmonisierung in der Klassik recht häufig anzutreffen!
Dann setzt die eigentlich Überleitung ein, die aus einem je zweimal erklingenden
Viertakter besteht, "Modell A" und "B" in Exp, "C" und "D" in Rp.
Dabei stellt "D", das zweite Auftreten in der Reprise (Takt 169), das
allerletzte im Notentext, zweifellos den "Normalfall" dar:
Die Oberstimme sequenziert ein "Seufzermotiv", die fallende Sekunde, mit
dem Gestus "betont-unbetont", wie es der Standard ist für Vorhaltketten.
Hier handelt es sich aber nicht um Vorhalte, sondern um Quintfälle, also
um Schritte "Dominante->Tonika", wobei die Tonika-Stelle jeweils eingenommen
wird von (jeweils auf f-moll bezogen!) doppelter Subdominate (Takt 165/169),
Subdominate (Takt 166/170), Tonika, nochmals Tonika (Takt 167/171)
und zuletzt dann auf der ZZt 1 von Takt 172 von der Dominante.
1
Deren vorangestellte Dominante (Takt 171 auf 4) ist also die klassische
Doppeldominante.
Dieses Pärchen allerdings ist verglichen mit den vorangehenden um ein
Viertel nach hinten geschoben (eingeschobene Subdominaten un Takt 171, Zzt 3),
sodaß die Auflösung zum einzigen Mal
auf der schweren Zeit (Takt 168/172 auf 1) zu liegen kommt.
All diese eingeschobenen Dominantklänge erscheinen dabei immer in Umkehrung, mit der Terz im Baß, bis auf Tkt 166/170, ZZt. drei, der die Quinte im Baß hat.
Die Terz geht bekanntlich aufwärts in den Grundton des Zielklanges, und auch die Quinte kann aufwärts geführt werden, in dessen Terz. Somit entstehen in den Außenstimmen auf natürliche Weise gegenläufige Sekundschritte: die im Sopran schließen im Intervall der Prime vorhaltskettenähnlich an, die im Baß werden deutlich abgesetzt angesprungen.
Die Grundstellung der Dominante ist also (1) ausdrücklich aufgespart für
den Takt 172, der ja dann die Kadenz in den Ss bringt.
An dieser Stelle liegt ein Dominantklann
(2) wie zuvor auf der schweren Zählzeit, aber diesmal
(3) als Zielpunkt einer Doppeldominante, also
in der Rolle der zweiten Komponente des D-T-Pärchens.
Hier endlich ist sie (4) mit
einem Vorhalt verziert (den man die ganze Zeit schmerzlich vermißte!),
welcher die fallende Sekundbewegung dann (5) in Augmentation auf Halbe-Dauern
zu ihrer (vorläufigen) Erfüllung bringt.
Der endgültige Zielpunkt dieser Entwicklung ist dann allerdings der Schluß des Seitensatzes, die Takte 40-41/185-186, die den Vorhalt in nochmaliger Vergrösserung (Ganze-Ganze !!) bringen!
Modell C bringt nur eine einzige Abweichung: Takt 165 bringt auf der ZZt. zwei, eingebettet in ein "Weiterlaufen" oder "Ausschwingen" der chromatischen Pendelfigur, den Tonika-Gegenklang auf dem Ton "des", der dann zum "d" "durchgeht". Dies ist aus klanglichen Gründen schon notwendig, da der Quartsextakkord auf der ZZt. eins in der Klanglichkeit der Barocken und klassischen Periode nur als Durchgangsphänomen erlaubt ist (Hufschmidt: "Es gibt keine Quartsextakkorde!").
Die eingeschobenen (und i.A. in der Klassik recht seltene) Funktion tG hat hier auch den Sinn, ihr Auftreten im Ss selbst (Takt 179, siehe oben) vorzubereiten.
Hingegen bringt D die eigentlich gemeinte Gestalt: der Grundton f' springt ab in den Leitton d, und verschärt so die Deutlichkeit der aufsteigenden Sekunden im Baß, die den fallenden im Sopran entgegenstehen.
Im Sinne des hierarchischen Hörens, und was dem auf der Seite der Produktion entspricht, der fortwährenden Augmentation eines einfachen Hintergrundsatzes, wird das Auftreten der Modelle C und D wohl so gehört:
Der Quartsextakkord auf der ZZt 1 von Takt 165 ist so dermaßen prägnant, daß die ganzem folgenden dreieinhalb Takte gut als nur die Auskomponierung dieses Vorhaltes hörbar sind.
Erst danach, mit Takt 169 und dem Anfang von Modell D, kommt endlich der Tonika-Klang, der dann über drei Takte auskomponiert wird bis zur Kadenz in den Ss.
Man sieht also, daß fast notengetreu dasselbe Vordergrundmaterial einmal die Dominate, dann die Tonika auskomponieren, bzw. (vom Hörer her beschrieben) in unserem Formgefühl ausfüllen kann!
Fast alle oben als Akkorde notierten Ereignisse werden durch Brechungen dargestellt. Modell C, Takt 165 ff bringt also eine "Urgestalt", weil die linke Hand plötzlich in einfachen Vierteln durchgeht, was bei dieser Themengestalt vorher nie der Fall war. Der Effekt beim Hörer ist zweifellos der, daß Mittelgrundgestalt auf einmal sich nackt im Vordergrund materialisiert.
Die Wiederholung (Modell D) wird nun "angefettet" durch Hinzutreten der unteren Oktave zu den einstimmigen Vierteln, gebrochen in geraden Achtel. Diese reiben sich an den Triolen der rechten Hand auf typische Art. Diese Aufwertung der Wiederholung ist rein vordergründig.
In der Exposition nun tritt der Ss in c-moll statt f-moll auf, und zwar eine Quarte tiefer. Folglich läßt sich das Wiederholungsmuster der Modelle C und D hier nicht anwenden: Eine Unter-Oktave unter der bereits hinuntertransponierten Fassung, das wäre gar zu grummelich !!!
Man sieht oben leicht, daß ausschließlich die anderthalb Takte ab Takt 32, ZZt. 3 wörtlich eine Quarte tiefer sind als die entsprechende Stelle Takt 167, ZZt.3.
Für die Takte davor (des Modells B) greift der Komponist zu dem Trick, nicht die Unter-Oktave, sondern die Unter-( und Ober-)Terz zu verwenden. Dies zerstört allerdings im ersten Takt (Takt 165/30) die charakteristische Dominantsequenz: Hieß der Baß der Rp "Terz der Dominante geht zum Grundton eines Zielklanges", so wäre die Unterterz der Grundton des Dominantklanges, und der verursacht beim Aufwärtsgehen eine Art von Trugschluß.
In Takt 166/31 nimmt der Komponist deshalb in der ersten Takthälfte die Ober-Terz, was unproblematisch ist (Quinte des Dominantklanges geht zur Terz des Zielklanges), in der zweiten liegt ja ausnahmsweise die Quinte des Dominantklanges im Baß, und das Unter-Terzen ist hier genau das richtige (Terz der Dominaten geht zum Grundton ihrer Auflösung)!
Aus B folgt durch einen weiteren Ableitungsschritt dann
die Gestalt A, indem diese neue Unterstimme zur alleinigen gemacht wird, sozusagen die
verwendete Form zerschlagen, und nur die unterterzte Stimme (durch
gebrochenen Oktaven in der Vordergrundgestalt scheinbar aufgewertet)
zur Baßstimme der Takte 26 ff. wird.
Dies geschieht in Verbindung mit einer Umkehrung in den Akkorden der
rechten Hand: die oberste Stimme wird zur untersten.
Der werk-interne Ableitungsprozess läuft also von hinten nach vorne.
Das diachron erklingende Werk bringt, wegen der Wiederholungszeichen, die Modelle in der Abfolge
Exp Exp Df Rp Df Rp 1 2 3 4 5 6 7 8 A B A B C D C D |
Erst mit dem fünften und siebenten Auftreten dieser Überleitung nähert sich also die klingende Vordergrundgestalt der dahinterliegenden Idee.
Daß die Modelle C und D den wahren Gehalt wiedergeben zeigt sich an der Regelmäßigkeit der Quintfälle. Der D-T-Fall wird im ersten Takt von B und mehr noch in A völlig aufgegeben! Er macht auch von der Gesamtarchitektur keinen großen Sinn: in der Rp steht dort eine Dominate zur doppelten Subdominaten der dort erreichten Tonart f-moll, also ein B7 als Dominantklang zu es-moll.
Da wier hier aber eine Quinte höher sind, neutralisiert das diese Entfernung, und wir erhielten nur ein F7 als Dominanten zu b-moll, was ja nichts anderes ist als die dominantisierte Grundstufe des Satzes! Wir wären fast daheim geblieben, während in der Rp der weiteste Quintabstand überhaupt (es-ges-b heißt der Klang) erreicht wird!
Eine wörtliche Übernahme währe also recht wirkungslos. Stattdessen bringt der erste Takt der Modelle A und B eine funktional unterdeterminierte Akkordfolge, die nur ein langsames "Überblenden" beschreibt von tG über die Subdominante zur Dominanten von f-moll (als ihrerseits der Subdominanten der bereits erreichten neuen Tonart c-moll!!)
T.26 | T.27 | c-moll: D46 tG(=sP) s56 (s56 | D) s |
Erst mit dem zweiten Takt münden dann A und B in die von C und D so prägnant formulierte Dominanten-Girlande.
Aufgewogen wird der Unterschied von Exp und Rp wieder im Seitensatz selbst: Die unklaren (aber dabei sehr reizvollen!) Harmonien des entschärften Anfangstakte von A und B werden in der Rp aufgegriffen in Takt zwei des Ss selbst (Takte 174/182), wo eine ähnliche Überblendung stattfindet, und der in Takt 26, ZZt 4 durchgangsweise entstehende Es7 hier endlich als solcher ernstgenommen wird und nach As-Dur kadenzieren darf!
Daß auch der Kompositionsprozeß mit der Reprise begann zeigt sich
für uns eindeutig in Modell B, Takt 31, ZZt 3:
Durch die Unter-Terzung des Basses tritt dort in der linken Hand
neu der Leitton "h" auf.
Dieser darf also in der rechten Hand nicht mehr verdoppelt werden.
Um dennoch einen dreistimmigen Akkord zu bringen, muß diese den Quintton "d"
bringen. Dieser aber muß zum "c", dem Grundton des Auflösungsklanges abwärts
gehen, da er in der ursprünglichen Baßlinie, die ja immer noch als Tenor
erklingt, bereits aufwärts geführt wird. Das wären sonst Oktavparallelen!
Deshalb aber kann der Oberstimmengang "as'-g'" (entsprechend dem "des''-c''" der Reprise) nicht beibehalten werden ! Der ergäbe nämlich eine sehr deutliche "verdeckte Quintparallele" zum "d'-c'".
Nicht daß Beethoven prinzipiell Angst vor Quintparallelen hätte, in späteren, esoterischeren Kontexten könnte die durchaus auftreten. Hier allerdings, im Frühwerk, gewidmet dem verehrten Haydn, wäre das undenkbar. Ganz abgesehen davon ist das Quintparallelen-Verbot ja auch nicht ganz unbegründet: In einem so funktional geprägten, auf Dominantspannung beruhenden Umfeld würde diese Parallele klanglich deutlich herausfallen und viel von der Zielgerichtetheit (die ja sogar bis ans Ende des Ss tragen soll!) verschlucken.
Man probiere es nur aus!
Deshalb also musste hier die Oberstimme von "as1" zu "g1" korrigiert werden
(siehe das Symbol "*" im Notenbeispiel, Takt 31).
Das ist der Beweis. Die Oberstimmenlogik der fallenden Sekundgirlande
ist hier dermaßen unorganisch unterbrochen, daß es sich nimmermehr um einen
genuinen Einfall handeln kann. Der findet sich in der Reprise, hier
ist eine punktuelle Korrektur vorgenommen.
Der Einfall des Modelles wie es in der Rp auftritt war zuerst da, --- die Formen
in der Exp wurden dann bewußt ableitend konstruiert.
Zusammenfassend gesprochen ergibt sich das allein daraus, daß jene
die einfacheren sind. Man bemühe sich beim Komponieren immer um
die einfachste Lösung, um den einfachsten Ansatz, um die einfachste Grundgestalt.
Werden deren impliziten Widersprüche und alle externen Randbedingungen und
Konflikte dann konsequent weiterverfolgt, so wird das letztliche
Resultat allemal kompliziert
genug, um interessant zu erscheinen, und zugleich organisch genug,
um zu überzeugen.
Das zeigt dieses Beispiel bis zum letzten Achtel nachvollziehbar und sehr schön anschaulich!
Außerdem ist es doch ein schönes Gefühl, einem großen Meister in die Lieder zu blicken und sehen zu können, wie sie gemacht wurden, nicht ?
1 Wir rechnen mir folgenden mit Viertelnoten als "Zählzeiten"= "ZZt" zur Orientierung im Notentext, obwohl der Satz vom Tempo her ja in "Halben" zu zählen ist.
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