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^inh 1995100100 phaenomen
Zur Verabschiedung von Ursula von den Busch

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Unser Beitrag zu der damalige Festschrift.
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Zu den aufregendsten Tätigkeiten, welche unsere europäische Kultur überhaupt hervorgebracht hat, gehört mit Sicherheit das Musizieren im Ensemble.

Für alle Beteiligten verbindet es auf einzigartige Weise die Möglichkeit von körperlichem Selbstbewußtsein und geistiger Erkenntnis.

Jeder, der ernsthaft Chorgesang betrieben hat, kann bestätigen, welch überwältigende Erfahrung jene selbstvergessenen Momente mit sich bringen, in denen wir unsere Stimme singen und gleichzeitig die Verwebungen und Überkreuzungen mit einem Kontrapunkt oder dem cantus firmus einer anderen Stimme hören, gestalten und wissen, --- und jene Momente, wenn wir in einem Akkord eintauchen, und wenn durch das Zusammenwirken verschiedener, gleichzeitiger melodischer Schritte auf dialektische Weise plötzlich die immer noch geheimnisvolle Kraft der harmonischen Fortschreitung beschworen und erlebbar wird.

Das Chorsingen besonders ist nicht nur ein brauchbarer Prototyp von sozialem Verhalten, -- wo jeder an seinem Platze im Interesse aller das Notwenige tut, -- sondern auch zutiefst verbunden mit einem Grundgedanken aller großen Religionen, daß nämlich Tun und Leiden, Schicksal und Verantwortung jedes Menschen unmittelbar verknüpft ist mit dem großen Ganzen.

Kontrapunkt und Harmonik sind rein "virtuelle Realitäten", von denen wir nur eine Vorstellung haben. Genau wie aus den körperlichen Anstrengungen vieler, aus Atemholen und Zwerchfellspannung, im schwingenden Raume plötzlich das klingende, körperlich erfahrbare Bild einer gedachten Ordnung ensteht, so strebt auch die Welt, -- stets nur angetrieben durch unser kleines Atemholen, -- zu der Ordnung des Reiches, das da kommen soll, und von dem wir nur eine Vorstellung haben.

Der Chorgesang macht Transzendenz für jeden unmittelbar, da körperlich überwältigend, erfahrbar.

Dieses Erlebnis hat Ulla von den Busch Hunderten von jungen Menschen ermöglicht. Sie hat das Leben vieler meiner Freunde und meines auf das Tiefste bereichert.

Wir können allen Grund haben, anzunehmen, daß die Erfahrungen in ihrer Jugendkantorei vielen Menschen ihr ganzes Leben lang Trost und Stütze sein werden, und daß alle Beteiligten immer wieder gern und dankbar an die Zeit mit ihr zurückdenken werden.

Das Werk Ulla von den Buschs ist ein Lebenswerk in des Wortes edelster Bedeutung.


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